Andrea Tholl

Journalistin

° Friedrich Ani: Gottes Tochter

4. Oktober 2015 von Andrea Tholl | Keine Kommentare

gottes_tochterDeutscher Krimipreis 2002. Der für 2003 gleich hinterher. Dazu haufenweise Stipendien und Auszeichnungen – Friedrich Ani könnte in aller Ruhe seinen Erfolg genießen. Tut er aber nicht. Stattdessen schreibt der 44-Jährige jeden Tag bis zur Erschöpfung. Die letzten vier Romane aus der Reihe um Hauptkommissar Tabor Süden hat er innerhalb eines Jahres verfasst. Arbeit, die sich auszahlt: Für den diesjährigen Krimi-Preis ist Ani gleich für drei Romane mit dem ersten Platz ausgezeichnet worden. Was der Münchner durchaus zu schätzen weiß: „Das erinnert ein wenig an die Zeiten der Beatles, als diese drei Titel hintereinander an der Spitze der Charts hatten.“

Gottes Tochter“ heißt nun sein neuestes Buch. Ein Krimi, dessen Geschichte auf den ersten Blick gar nicht so ungewöhnlich scheint. Julika de Vries, gerade 18 geworden, haut von zu Hause ab, um mit ihrer frischen Liebe Rico ein neues Leben anzufangen. Tabor Süden, Hauptkommissar der Vermisstenstelle in München, soll das Mädchen finden. Seine Spur führt ihn nach Rostock, in Ricos Heimatstadt. Da ist Julika untergetaucht. Was als zarte Liebesgeschichte beginnt, nimmt eine dramatische Wendung: Es stellt sich heraus, dass Rico und seine Freunde an den Ausschreitungen um das Asylbewerberheim in Rostock-Lichtenhagen beteiligt waren, bei denen (jedenfalls im Buch) ein Vietnamese ums Leben kam. In diesem Umfeld sucht Süden nach Julika.

Seine Ermittlungsmethoden sind bemerkenswert: Er schweigt und bleibt und bringt damit nahezu jeden zum Reden. Süden ist überhaupt eine eigenwillige Persönlichkeit – innerlich selbst zerrissen, mit einem unerschöpflichen Verständnis für die Schicksale anderer. Sein Erfinder Ani hat einen Ermittler geschaffen, der so ungewöhnlich ist wie die Sprache, in der er seine Welt beschreibt: nüchtern, poetisch, präzise, wach, bewegend. Einfach grandios!

Veröffentlicht in: BRIGITTE

 

° Friedrich Ani: Sag’ beim Abschied leise… gar nichts

4. Oktober 2015 von Andrea Tholl | Keine Kommentare

Er ist schon ein seltsamer Kauz, dieser Tabor Süden, Hauptkommissar der Vermisstenstelle in München. Sieht aus wie eine Mischung aus Karl Lagerfeld und Althippie. Löst seine Fälle durch Intuition und Schweigsamkeit. Damit brachte er seinem Erfinder Friedrich Ani nicht nur zweimal den deutschen Krimipreis ein, sondern ermittelte sich auch eine ansehnliche Fangemeinde. Die geht jetzt harten Zeiten entgegen. Denn am Ende von „Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel“ wird Süden selbst verschwunden sein. „Und es bräuchte schon einen sehr gerissenen Detektiv, um ihn wiederzufinden“, sagt Friedrich Ani.

In seinem zwölften und letzten Fall will Tabor Süden in seinem Heimatdorf eigentlich nur das Grab seiner Mutter besuchen. Doch dann bittet ihn der Dorflehrer verzweifelt um Hilfe. Seit einem Jahr ist seine 10-jährige Tochter Anna verschwunden, die eingesetzte Sonderkommission hat keinerlei Hinweise, was passiert sein könnte. Annas Vater glaubt fest daran, dass jemand aus dem Ort mit ihrem Verschwinden zu tun hat. Süden beginnt auf eigene Faust nachzuforschen. Und muss es mit einer Dorfgesellschaft aufnehmen, hinter deren katholischer Fassade sich tiefe Abgründe auftun. Er wird das Rätsel lösen, ein letztes Mal. Und danach seinen Job an den Nagel hängen. „Ich habe das bezahlte Scheitern so satt“, sagt Tabor Süden. Er wird mir fehlen.

Veröffentlicht in: BRIGITTE