Andrea Tholl

Journalistin

° Sara Paretsky: Black List

4. Oktober 2015 von Andrea Tholl | Keine Kommentare

blacklistChicago, kurz nach den Anschlägen des 11. September. Die Privatdetektivin Victoria Iphigenia Warshawski erhält den Auftrag, ein altes, leer stehendes Herrenhaus zu beobachten. Angeblich würden sich dort nachts ungebetene Gäste herumtreiben. Terroristen? V.I., wie sie auch genannt wird, beginnt mit den Ermittlungen. Weiterlesen →

° Stella Blómkvist: Die Bronzestatue

4. Oktober 2015 von Andrea Tholl | Keine Kommentare

bronzestatueIm wahren Leben, so munkelt man in Island, ist Stella Blómkvist eine bekannte Persönlichkeit. Bloß welche – dass weiß keiner so genau, weil es sich beim Namen der Erfolgsautorin um ein Pseudonym handelt. In ihrem neuen Krimi „Die Bronzestatue“ ist Stella Blómkvist nicht nur die Verfasserin, sondern auch die Hauptakteurin – und die lebt ihre Schwäche für gut gebaute Kerle ungehemmt aus, lässt sich nichts gefallen und gibt den Lesern reichlich Lebensweisheiten ihrer Mutter mit auf den Weg.

Abgesehen davon ist sie Rechtsanwältin und mit allen Wassern gewaschen. Ihr wird der Fall eines stadtbekannten Weiberhelden übertragen, der seine Freundin erschlagen haben soll – mitten in der isländischen Staatskanzlei. Trotz aller Indizien glaubt Stella fest an seine Unschuld und gerät bei ihren eigenen Ermittlungen an Informationen, die Politikerköpfe rollen lassen könnten. Das ist spannend – und zugleich witzig und frivol geschrieben.

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° Friedrich Ani: Gottes Tochter

4. Oktober 2015 von Andrea Tholl | Keine Kommentare

gottes_tochterDeutscher Krimipreis 2002. Der für 2003 gleich hinterher. Dazu haufenweise Stipendien und Auszeichnungen – Friedrich Ani könnte in aller Ruhe seinen Erfolg genießen. Tut er aber nicht. Stattdessen schreibt der 44-Jährige jeden Tag bis zur Erschöpfung. Die letzten vier Romane aus der Reihe um Hauptkommissar Tabor Süden hat er innerhalb eines Jahres verfasst. Arbeit, die sich auszahlt: Für den diesjährigen Krimi-Preis ist Ani gleich für drei Romane mit dem ersten Platz ausgezeichnet worden. Was der Münchner durchaus zu schätzen weiß: „Das erinnert ein wenig an die Zeiten der Beatles, als diese drei Titel hintereinander an der Spitze der Charts hatten.“

Gottes Tochter“ heißt nun sein neuestes Buch. Ein Krimi, dessen Geschichte auf den ersten Blick gar nicht so ungewöhnlich scheint. Julika de Vries, gerade 18 geworden, haut von zu Hause ab, um mit ihrer frischen Liebe Rico ein neues Leben anzufangen. Tabor Süden, Hauptkommissar der Vermisstenstelle in München, soll das Mädchen finden. Seine Spur führt ihn nach Rostock, in Ricos Heimatstadt. Da ist Julika untergetaucht. Was als zarte Liebesgeschichte beginnt, nimmt eine dramatische Wendung: Es stellt sich heraus, dass Rico und seine Freunde an den Ausschreitungen um das Asylbewerberheim in Rostock-Lichtenhagen beteiligt waren, bei denen (jedenfalls im Buch) ein Vietnamese ums Leben kam. In diesem Umfeld sucht Süden nach Julika.

Seine Ermittlungsmethoden sind bemerkenswert: Er schweigt und bleibt und bringt damit nahezu jeden zum Reden. Süden ist überhaupt eine eigenwillige Persönlichkeit – innerlich selbst zerrissen, mit einem unerschöpflichen Verständnis für die Schicksale anderer. Sein Erfinder Ani hat einen Ermittler geschaffen, der so ungewöhnlich ist wie die Sprache, in der er seine Welt beschreibt: nüchtern, poetisch, präzise, wach, bewegend. Einfach grandios!

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° Friedrich Ani: Sag’ beim Abschied leise… gar nichts

4. Oktober 2015 von Andrea Tholl | Keine Kommentare

Er ist schon ein seltsamer Kauz, dieser Tabor Süden, Hauptkommissar der Vermisstenstelle in München. Sieht aus wie eine Mischung aus Karl Lagerfeld und Althippie. Löst seine Fälle durch Intuition und Schweigsamkeit. Damit brachte er seinem Erfinder Friedrich Ani nicht nur zweimal den deutschen Krimipreis ein, sondern ermittelte sich auch eine ansehnliche Fangemeinde. Die geht jetzt harten Zeiten entgegen. Denn am Ende von „Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel“ wird Süden selbst verschwunden sein. „Und es bräuchte schon einen sehr gerissenen Detektiv, um ihn wiederzufinden“, sagt Friedrich Ani.

In seinem zwölften und letzten Fall will Tabor Süden in seinem Heimatdorf eigentlich nur das Grab seiner Mutter besuchen. Doch dann bittet ihn der Dorflehrer verzweifelt um Hilfe. Seit einem Jahr ist seine 10-jährige Tochter Anna verschwunden, die eingesetzte Sonderkommission hat keinerlei Hinweise, was passiert sein könnte. Annas Vater glaubt fest daran, dass jemand aus dem Ort mit ihrem Verschwinden zu tun hat. Süden beginnt auf eigene Faust nachzuforschen. Und muss es mit einer Dorfgesellschaft aufnehmen, hinter deren katholischer Fassade sich tiefe Abgründe auftun. Er wird das Rätsel lösen, ein letztes Mal. Und danach seinen Job an den Nagel hängen. „Ich habe das bezahlte Scheitern so satt“, sagt Tabor Süden. Er wird mir fehlen.

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° Der doppelte Nesser

4. Oktober 2015 von Andrea Tholl | Keine Kommentare

Håkan Nesser kann sich selbst nicht genau erklären, woher er all seine Ideen hat. „Wie die in meinen Kopf kommen, ist mir ein echtes Rätsel“,sagt der 56-jährige Schwede. Mit seinem Kommissar Van Veeteren hat er sich einen festen Platz unter den besten Krimi-Autoren Europas erschrieben. Doch Nesser kann auch ohne Van Veeteren, das zeigen gleich zwei neue Bücher: In „Die Fliege und die Ewigkeit“  entdeckt der Ex-Häftling Maertens nach dem Tod seines besten Freundes, dass er auf perfide Art betrogen wurde. Das Geheimnis steckt in einem Umschlag, der Maertens auf der  Beerdigung überreicht wird. Ein Roman, für den man sich Zeit nehmen sollte. Das findet auch der Autor: „Warum kann der Leser nicht ein paar Wochen in einen Krimi investieren, an dem ich mehrere Jahre geschrieben habe?“

Im Gegensatz dazu ist „In Liebe, Agnes“  ein leichter Lese-Snack, garniert mit einem raffinierten Ende. Wie zwei Freundinnen in diesem kleinen Briefroman einen Mord austüfteln, das lässt sich herrlich an einem Nachmittag weglesen.

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° Jed Rubenfeld: Morddeutung

4. Oktober 2015 von Andrea Tholl | Keine Kommentare

Bis vor Kurzem schrieb Jed Rubenfeld ausschließlich juristische Abhandlungen, jetzt veröffentlichte er einen Kriminalroman. Warum? „Weil von meinem letzten Buch nur sechs Exemplare verkauft wurden“, sagt der amerikanische Professor für Verfassungsrecht, „vier davon an Familienmitglieder.“ Sein literarisches Debüt „Morddeutung“ stürmte dagegen auf Anhieb Platz 1 der englischen Bestsellerliste.

Rubenfeld führt seine Leser in das New York des Jahres 1909, als Dr. Sigmund Freud in die USA reist, um Vorlesungen zu halten. Während dieses Aufenthalts wird eine junge Frau stranguliert und mit Schnittwunden in einem vornehmen Appartement aufgefunden, eine zweite überlebt den Angriff, verliert aber durch den Schock Gedächtnis und Stimme. Mit Hilfe Freuds und der Psychoanalyse soll der Überlebenden geholfen werden, sich schnellstens an den Täter zu erinnern, um weitere Morde zu verhindern.

Eine spannende Entdeckungsreise in die Tiefen der menschlichen Seele beginnt. Es ist ein überzeugendes Debüt, das der 48-jährige Rubenfeld hingelegt hat – und es ist bloß erschienen, weil der Yale-Professor als vorbildlicher Ehemann auf seine Frau gehört hat. Er selbst hätte sein Krimi-Manuskript nämlich niemals verschickt.

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° Richard Bachman alias Stephen King: Qual

4. Oktober 2015 von Andrea Tholl | Keine Kommentare

Richard Bachman ist das Pseudonym eines Besessenen: Stephen King. Schon in den 70er Jahren hat der König des feinen, gut inszenierten Horrors mehr geschrieben, als sein Verlag veröffentlichen wollte. Ein Buch im Jahr sei genug für einen Autoren, hieß es, aber in Kings Kopf steckten so viele krude Fantasien, dass er sich einfach einen zweiten Namen zulegte, um mehr schreiben zu können.Seit 1977 veröffentlicht der Workaholic aus Maine als Richard Bachman (der Name fiel ihm ein, als er eine Platte von Bachman Turner Overdrive hörte), sein Alias hat sogar eine erfundene Biografie.

Qual„, in erster Fassung schon 1973 geschrieben, aber erst jetzt erschienen, ist der siebte Roman des Kingschen Alter Ego. Er erzählt in Rückblenden die Geschichte des geistig zurückgebliebenen Kleinkriminellen Blaze. Der plant mit seinem besten Freund George den ganz großen Coup: Sie wollen ein Baby aus einer reichen Familie entführen. Aber George wird vorher getötet, und jetzt will Blaze ihr gemeinsames Projekt allein zu Ende bringen. Doch irgendwie gibt sein alter Kumpel ihm Tipps aus dem Jenseits, und Blaze entwickelt eine eigene Beziehung zum Kind.

Bachmann/King hat keinen blutigen Horrorschocker à la „Shining“ oder „Carrie“ geschaffen, sondern eine bewegende Geschichte um einen Außenseiter der Gesellschaft – angereichert mit King-typischen Mystery-Elementen.

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° Robert Wilson: Die Maske des Bösen

4. Oktober 2015 von Andrea Tholl | Keine Kommentare

In seinem neuen Roman lässt es Robert Wilson ordentlich knallen. Mitten in einem Wohngebiet Sevillas explodiert eine Bombe, ein ganzer Wohnblock, eine Moschee und ein Kindergarten werden in die Luft gesprengt. Ein dutzend Menschen sterben, hunderte werden verletzt, es gibt mehr Opfer als in allen Wilson-Büchern zusammen. Das wäre schon schlimm genug für Chefinspektor Javier Falcón, aber der muss gleichzeitig noch in einem Ritualmord ermitteln. Und stellt schnell fest, dass es einen Zusammenhang zwischen beiden Fällen gibt.

Auch persönlich müssen der meist melancholische Falcón und die anderen Hauptfiguren furchtbare Qualen durchleben. Damit stellt Robert Wilson, der knorrige Engländer mit Wohnsitz Portugal, dem globalen Phänomen Terrorismus raffiniert die psychische Dimension von Terror zur Seite. Durch diese Komplexität ist „Die Maske des Bösen“ nicht nur ein Krimi, sondern hat das Kaliber eines beeindruckend realistischen Verschwörungs-Thrillers. Die „New York Times“ findet, Wilson sei „einer der besten Thrillerautoren der Welt“. Kein Widerspruch.

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° Michael Connelly: Der Mandant

29. Juni 2015 von Andrea Tholl | Keine Kommentare

Vor einigen Jahren kam Michael Connelly als Zuschauer bei einem Baseballspiel zufällig mit seinem Nebenmann ins Gespräch. Bei den meisten Menschen würde diese kurze Begegnung wahrscheinlich ohne nennenswerte Folgen bleiben, bei dem US-Schriftsteller jedoch führte sie zur Erfindung einer neuen Romanfigur. Name: Michael Haller. Beruf: Strafverteidiger. Charakter: außen schmierig, innen eisern. Wie Michael Connellys Sitznachbar hat Haller sein Auto zum mobilen Büro umfunktioniert, um auf den weiten Wegen zwischen den Gerichten von Los Angeles County seiner Tätigkeit nachzugehen: zwielichtige Mandanten raushauen.

Mit dem reichen Immobilienmakler Louis Ross Roulet glaubt der ewig klamme Haller endlich das große Los gezogen zu haben. Der wird angeklagt, eine junge Frau nach einem Barbesuch schwer misshandelt zu haben. Haller sieht die Geschworenen schon auf seiner Seite, da nimmt der Fall eine dieser begnadeten Connelly-Wendungen. Und der Anwalt gerät selbst in Lebensgefahr.

Der Mandant“ ist Michael Connellys erster Justiz- Krimi. Wie fast alle seine vorherigen Romane packt er einen wie eine Achterbahnfahrt: Man wird durchgeschüttelt, nimmt steile Kurven in einem halsbrecherischen Tempo und will am Ende nur noch eins – das Ganze noch mal von vorn.

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